Haushaltsrede 2022

Sehr geehrte Damen und Herren, Herr Bürgermeister, liebe Ratsleute, Mitarbeitende der Verwaltung, Gäste, seit der letzten Kommunalwahl haben wir in Herzebrock-Clarholz die Partei Bündnis 90/die Grünen im Rat und in den Ausschüssen. Es gibt sicherlich viele Gründe, warum sich die Mehrheitsverhältnisse verschoben haben und wir jetzt mit 8 Sitzen hier im Rat vertreten sind. Neue Aktive sind dazugekommen, vieles hat sich geändert. So auch, dass wir jetzt eine Doppelspitze haben und uns diese Rede teilen.

Der vorliegende Entwurf des Haushaltsplanes 2022 ist gut strukturiert aufgebaut und wurde in den Ausschüssen und in der Fraktion von Herrn Wette ausführlich und gut erläutert. Trotz der unberechenbaren Coronaeinflüsse scheint die finanzielle Situation zurzeit beherrschbar zu sein.
Langfristig steuern wir auf eine sehr hohe Verschuldung zu. Darum müssen wir uns im Laufe des Jahres sicher intensiv kümmern. Neben den kurzfristigen ausführlich beschriebenen Maßnahmen sollten wir auf jeden Fall auch die strategischen Ziele, die im Jahre 2008 beschlossen wurden, überprüfen und gegebenenfalls anpassen.

  1. Gesundes Wachstum unter Berücksichtigung des demografischen Wandels
  2. Förderung und Unterstützung der Jugend- Familien- und Seniorenarbeit
  3. Sicherung eines ortsnahen, qualitativ hochwertigen Bildungs- und bedarfsorientierten Kultur- und Freizeitangebotes sowie
  4. Verantwortlicher Umgang mit den natürlichen Ressourcen

Themen wie Klimakrise, Verkehrswende, Flüchtlingskrisen, Digitalisierung, Bildung, Soziale Teilhabe, Gesundheitsschutz z.B. wg. Corona, … haben heute einen völlig anderen Stellenwert erhalten. Wir müssen neu formulieren, wie wir in Herzebrock-Clarholz in 10 oder 20 Jahren leben wollen und wie wir das erreichen werden. Handlungsziele und Produktziele werden dann aus den strategischen Zielen abgeleitet.
Im SSKS-Ausschuss haben wir beschlossen, jeweils eine weitere Stelle der Schulsozialarbeit an den Grundschulen und der VZG zu finanzieren. Ein notwendiger Schritt unter Berücksichtigung des zweiten und dritten strategischen Zieles. Eine weitere Tageseinrichtung für Kinder in unserer Gemeinde ist ein Muss, wenn wir unsere Ziele erreichen wollen. Unsere Aufgabe ist es nun, die Bedarfe und Lebensphilosophie der Familien im Blick zu haben und ihnen die Möglichkeit zu geben, zu entscheiden, wann sie ihr Kind in die Fremdbetreuung geben möchten.

Die Teilnahme an der Fair-Trade-Towns-Kampagne wurde von uns schon vor einigen Jahren angesprochen und steht seit zwei Jahren im grünen Programm. Umso erfreuter sind wir, dass wir uns als Gemeinde mit vielen Akteuren auf den Weg machen und diese Kampagne mit Inhalt füllen wollen. Wichtig ist uns, dass wir keine Symbolpolitik machen, sondern diese Kampagne auch mit LEBEN und FAIRNESS füllen. Ein faires Miteinander in unserer Gemeinde und gute und faire Bedingungen auch für unsere Neubürger mit Fluchterfahrung sind unabdingbar. Sprache und Arbeit sind Grundvoraussetzung für ein Ankommen in dem neuen Lebensumfeld – der neuen Kultur. Der Verein pro Arbeit e.V. schafft eine gute Möglichkeit durch das Modell Arbeit und Sprache Menschen mit Fluchterfahrung in unserer Gemeinde zu integrieren. Dieses Projekt „Learning by doing“, welches Theorie und Praxis vereint, ist in der Finanzierung jeden Euro wert. Die wertvolle Arbeit der MitarbeiterInnen des Recyclinghofes und deren Konzept sind für Herzebrock-Clarholz enorm wichtig.
Doch Integrationspolitik bedeutet noch mehr – u.a. Möglichkeiten der Begegnungen schaffen. Dieses war in Zeiten der Pandemie nicht möglich. Haben wir dieses weiterhin im Blick, denn Integration ist nicht nach 5 Jahren abgeschlossen. Auch dürfen wir die Augen nicht vor den schrecklichen Zuständen für die Menschen, die immer noch vor Krieg, Hunger und Verfolgung aus ihrer Heimat fliehen und in Flüchtlingslagern untergebracht sind, verschließen. Wir werden in diesem Jahr einen Antrag zur Aktion „Sicherer Hafen“ für unsere Gemeinde stellen. Zusätzliche Plätze für besonders bedürftige Flüchtlinge sollten wir anbieten.

SARS-CoV-2 hat nicht nur die Integrationspolitik erschwert, sondern hat alle Bevölkerungsgruppen in seinem Ausmaß der Einschränkungen getroffen. Neben den Mitbürgern und Mitbürgerinnen, die alleine leben hat es besonders die Jugendlichen getroffen, die die sich vom Elternhaus lösen wollen, die die Welt erobern wollen, ihren Weg finden und diese Zeit auch unbeschwert genießen wollen. Trotz der erschwerten Umstände waren die Berichte der Polizei und des Ordnungsamtes positiv und das Verhalten der Jugendlichen wurde gelobt. Sorgen machten sich jedoch alle Beteiligten um die weitere Entwicklung der Jugendlichen, die Sorge um deren Resilienz. Loben müssen wir an dieser Stelle aber auch das Verhalten der Polizei und des Ordnungsamtes, die den Jugendlichen mit Verständnis begegnet sind und begegnen.

Auch das Handeln der Verwaltung und der Politik wurden durch die Pandemie erschwerend beeinflusst und trotz allem haben wir einiges auf den Weg gebracht:

Klimaschutzkonzept, Mobilitätskonzept, landwirtschaftliches Wegekonzept,… wurden mit guten Ergebnissen erarbeitet und mit großer Mehrheit verabschiedet. Oft ist zu hören, dass das viel Aufwand erzeugt hat und nur geschehen ist, um Förderungen von Land oder Bund zu erhalten. Wir halten diese Konzepte für sehr wertvoll und drängen darauf, dass sie auch ausreichend Berücksichtigung finden. Die beschriebenen Maßnahmen müssen pünktlich umgesetzt und verfolgt werden. Nicht eingehaltene Termine, z. B. wegen Personalengpässen, sind zu begründen und mit belastbaren neuen Terminen zu versehen.
Es scheint so, als ob viele Maßnahmen häufig nur nach der Höhe der zu erwartenden Fördergelder priorisiert werden. Fördergelder sind wichtig. Es muss aber bedacht werden, dass das auch Steuergelder sind und wir mit diesen genauso sorgfältig umgehen müssen wie mit den Geldern der Kommune.
Die ehrgeizigen Klimaschutzmaßnamen und die Verkehrswende müssen im ganzen Ort Herzebrock-Clarholz positiv erlebbar werden. Statt der überflüssigen B64n sollten wir die längst fällige Modernisierung der Bahn fordern.
Wir sind als Ratsmitglieder nicht angetreten, um alles ungeprüft durchzuwinken oder ohne gute Gründe zu blockieren. Wir wollen Zusammenhänge verstehen und mit unseren Entscheidungen verantwortungsvoll gestalten. Schwierig wird das oft, wenn uns Fristen für Fördermaßnahmen überraschen oder wichtige Voraussetzungen wie Bebauungspläne fehlen.

Am Beispiel des Kolpinghauses haben wir gesehen, wie machtlos wir sind, wenn wir unsere Bauleitplanung nicht ausreichend nutzen. Schon vor über 10 Jahren haben unsere klugen Vorgänger im Rat einstimmig beschlossen, für die Wohngebiete Uthof-/Meerwiesenstraße sowie Kirchstraße/Holzhof Bebauungspläne aufzustellen, um eine mögliche Nachverdichtung in städtebaulich verträglichem Rahmen zu gestalten. Die Bearbeitung dieser Bebauungspläne ruht und ist auch für dieses Jahr nicht vorgesehen.
Im Bauausschuss im letzten September forderten alle Fraktionen sinngemäß und laut Protokoll: „bei Neubebauung müsse Wert auf die Gestaltung des Neubaus gelegt werden, damit der Kaffeemühlenstil, der in der Umgebung zu finden sei, erhalten bleibe“. Im Planungsausschuss im November konnte sich die Mehrheit nicht daran erinnern. Für eine temporäre Veränderungssperre fanden wir keine Mehrheit. Einen von uns vorgeschlagenen mobilen Gestaltungsbeirat brauchen wir nicht, da wir ja nicht gestalten.
So haben wir auch in den nächsten Jahren keinen Einfluss auf die Entwicklung des Ortsbildes, obwohl das doch eigentlich alle Fraktionen wollen. Jeden Tag kann uns ein neues Bauvorhaben vorgelegt werden, das den Bauherren maximalen Profit verspricht, unsere gestalterischen Anliegen für ein akzeptables Ortsbild aber nicht berücksichtigt.
Wir wollen uns dafür einsetzen, dass Herzebrock-Clarholz ein städtebaulich attraktiver Ort wird. Auch der erste Eindruck eines Ortes kann für mögliche Gäste, Fachkräfte, Hausärzte, Verwaltungsmitarbeitende, … entscheidend sein, sich für den Ort zu interessieren oder sich abschrecken zu lassen. Entlang der B64 haben wir in beiden Ortsteilen sehr viel Potential.

Auch der Neubau des Rathauses kann diesem Ziel dienen. Ein modernes Gebäude, das gut zu erreichen ist und vorhandenes Gelände aufwertet, wird gerne von Bürgern und im Rathaus Beschäftigten aufgesucht. Wenn wir 10 Mio. € ausgeben, dann sollte es doch ein attraktiver, transparenter, moderner Ort der Demokratie und der Dienstleistung für die Bürger werden, mit dem sich möglichst viele Menschen identifizieren. Dafür muss es kein protziger Prestigebau sein. Öffentliches Leben, Demokratie und vorhandene Gastronomie könnten gestärkt werden. Gesuchte Arbeitskräfte für Industrie und Verwaltung interessieren sich eher für Herzebrock-Clarholz.

Wir glauben, dass die Verwaltung sehr gute Arbeit macht, aber an einigen Stellen seit Jahren deutlich unterbesetzt ist. Deshalb befürworten wir jetzt schon die geplante Aufstockung des Personals. Die Ergebnisse der beauftragten Kapazitätsanalyse erwarten wir zum Ende des Jahres und können dann unter Berücksichtigung der neuen strategischen Ziele den dann neuen Haushaltsplan 2023 diskutieren und verabschieden. Weil so viele wichtige und dringende Dinge erledigt werden müssen, stimmen wir dem Haushaltsplan 2022 zu.
Wir bedanken uns für gute Zusammenarbeit mit der Verwaltung, dem Rat und den Ausschüssen und freuen uns auf die aktive Gestaltung einer tollen Zukunft für unser Herzebrock-Clarholz.

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